Keine Z E I T

Wie geplant, bin ich am Freitag zur Ausstellungseröffnung von "Keine Z E I T. Zeitphänomene. Phänomene der Zeit.", die in der G.A.S. Station stattfand, gegangen. Eigentlich war ich dort wegen Marion Habringer, die u.a. zusammen mit Elisa Asenbaum eine beeinduckende prozessorientierte Installation unter 340 Einsendungen beigesteuert hatte, denn als ich sie vor wenigen Wochen kennenlernt hatte, wurde ich schon neugierig gemacht, was das wohl für Maschinchen sein würden.
Das Konzept zur Umsetzung lautet so:
"[...]Wir können uns auch nicht an alles, was wir gesehen, gehört, geschmeckt, gerochen, gespürt haben, erinnern. Komplexe Selektionsprozesse lassen nur Teile des Erlebbaren ins Bewusstsein treten und davon bleibt bei Weitem nicht alles in unserem Gedächtnis. Viele physiologische und psychologische Faktoren sind hierbei am Werk. So ist es nicht immer möglich sich an die Dinge, die man möchte, zu erinnern und anderseits kann man manche Dinge nicht vergessen, an die man nicht denken mag. Auch die Zeitchronologie, was davor und was danach geschehen ist, verschwimmt je nach Blickpunkt und färbt sich subjektiv.
Die prozessorientierte Installation von M.H. und E.A. "Wo ist die Zeit geblieben?" thematisiert diese Prozesse. Ein kleines Wunderwerk von mechanisch- und computergesteuerten Elementen lässt per Zufall abgespeicherte Gedanken laut werden, die reflektiv um das Thema des Erinnerns und Vergessens kreisen. Ein Gedächtniswerk, das sich selbst regelt, erinnert und vergisst und die Zeitchronologie des Gedankengedichts fortwährend zeitlich neu im Jetzt ordnet. Der Text ist so konzipiert, dass die Veränderung der Satzreihung zu anderen Inhalten und Überlegungen führt. Doch mit der Zeit treten Blockierungen im Regelwerk auf, die Lücken entstehen lassen und einen fortschreitenden Vergessensprozess einleiten. Sätze werden "vergessen", Zersetzung macht sich an die Sätze, die sich in Bruchstücke auflösen und der  Zusammenhang verliert sich mit der Zeit.
Das Gedächtniswerk zeichnet einen mehrphasigen Vergessens.- und Erinnerungsprozess ab, der sich über einen mehrstündigen Zeitraum erstreckt. Erst über eine längere Beobachtung kann man den langsamen unmerklichen Veränderungsablauf wahrnehmen.
Die Installation definiert sich immer wieder neu als selbst organisiertes Gebilde mit unkontrollierten und unvorhersehbaren Eigenheiten."
Dazu gleich mehr. Ich schaute mir nämlich zuerst die anderen Objekte an, die sich im Erdgeschoss befanden und ging erst anschließend ins Untergeschoss. Oben gab es viel Unterschiedliches zu sehen: Videoprojekte, Installationen (mitunter eine tonnenschwere Glocke in einem mit Wasser gefüllten, überdimensionalen Plexiglasbehälter), Fotos auf Leinwand, Zeichnungen etc. Besondere Aufmerksamkeit widmete ich dem 60er-Jahre-Telefon mit integriertem MP3-Player und der schlüpfrigen Schneiderpuppe...
Mit einiger Verspätung und einem köstlichen Gille-Keks wurde dann Marions und Elisas Installation "Wo ist die Zeit geblieben?" vorgestellt - also angeschaltet. Es ist ein bisschen kompliziert zu erklären, wie das alles funktioniert, aber es wurden 36 Sätze verfasst, die sich ums Erinnern und Vergessen drehen, und diese Sätze wurden dann in einer visuellen und akustischen Art und Weise umgesetzt. Herausgekommen sind in monatelanger Arbeit neun Holzplattformen mit komplexer Elektonik: je vier Stahlkugeln auf jeder Plattform fallen in zufälliger Reihenfolge herunter und lösen dadurch einen Impuls aus, der uns einen der 36 Sätze per Laptop hören lässt. Deshalb sind es auch 36 Kugeln. Die Maschinen steuern einen Monolog und setzen die Sätze immer neu zusammen. Irgendwann lösen sich die Sätze auf, weil die Satzstruktur zerstört wird, d.h., die Maschinen "vergessen". Man hört nur ein Wirrwarr aus Wörtern. Weil man sich das alles aber nicht so gut vorstellen kann und ich es nach wie vor sehr abstrakt finde, habe ich ein Video gedreht, bei dem man ganz gut sieht, wie die Maschinen arbeiten. 


Wer neugierig geworden ist, kann sich die gesamte Ausstellung noch bis zum 4. Februar 2012 anschauen.

Und hier ist die Adresse:
Keine Z E I T
Zeitphänomene. Phänomene der Zeit.
Vernissage: 7. Oktober 2011 - ab 19 Uhr
Ausstellung: 8. Oktober 2011 bis 4. Februar 2012
G.A.S - station
Tempelherrenstraße 22
10961 Berlin/Kreuzberg.
Und hier die Adresse zu Marions Homepage:
http://www.marionhabringer.com/
Folgende Menschen waren noch an dem Projekt beteiligt:

Idee und Gesamtkonzeption: M.H. & E.A.
Text und Audiokonzeption: Elisa Asenbaum
Mechanische Konzeption und Umsetzung: Marion Habringer
Elektromechanische Umsetzung: Holger Zapf
Computertechnische Umsetzung: Harald Hofer
Stimme: Silvia Plank
Tontaufnahme: Gilbert Handler